Müller: „Aktuelle Maßnahmen sind Umweg zur Klimaneutralität“

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen haben die Welt in eine Energie- und mancherorts auch Nahrungsmittelkrise gestürzt.

In Deutschland überschlagen sich die Forderungen nach der Verlängerung der Atom-, Kohle- und Ölkraft, um die Gasverstromung zu reduzieren.

Dies bringt Klimaschützer und hartgesottene Ökos auf die Palme. Sie sehen nicht nur die Klimaziele in Gefahr, sondern auch eine drohende „Rolle rückwärts“ im Klimaschutz.

Ein Schritt zurück

Wenn nun tatsächlich Kohlekraftwerke hochgefahren werden und deren Laufzeiten verlängert werden, wäre dies ein Schritt zurück in Sachen Klimaschutz. Aber ein Blackout im Winter oder massiver Zukauf von Atomstrom aus Frankreich wäre sicherlich auch keine Lösung.

Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur bringt es im „Blog politische Ökonomie“ auf den Punkt:

„Ich betrachte aber diese Maßnahmen als einen Umweg. Wir dürfen über die derzeitige Krise den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht aus den Augen verlieren. Wir arbeiten parallel daran und beschleunigen sogar noch den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze“

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur

Er präzisiert weiter: „Außerdem arbeiten wir an Plänen, die nun notwendige neue Gasinfrastruktur zu einer Wasserstoffinfrastruktur umzurüsten. Das Ziel bleibt weiterhin, die CO2-Emissionen zu reduzieren und die Klimakrise abzuschwächen“.

Gas ist knapp – der Umweg zur Klimaneutralität

Die Wahrheit ist: Gas ist knapp. So knapp, dass wirklich eine Mangellage im Winter entstehen kann. 

Aus diesem Grund ist es unverantwortlich, dass knappe Gut „Gas“ in Kraftwerken zu Strom zu verarbeiten. 

Kohlekraftwerke müssen reaktiviert und aus der Netzreserve genommen werden, um den Gasverbrauch zu reduzieren. Dies muss zum großen Plan der Gaseinsparung gehören.

Müller: „Im Notfall müssen auch Öl- und Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Im Augenblick hat die Versorgung der Industrie und der privaten Haushalte mit Gas oberste Priorität. Es gilt, eine große Wirtschaftskrise abzuwenden und das Land funktionsfähig zu halten. Deshalb sind wir gezwungen, auf fossile Energieträger zurückzugreifen“.

Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, bringt weitaus größere Probleme mit sich: Brennstäbe müssen beschafft werden, häufig mit einer Vorlaufzeit von zwölf Monaten. Und das hierfür in der EU benötigte Uran kommt zu 40 Prozent aus Russland. 

Auch die Sicherheit, Instandhaltung und Wartungsabläufe spielen eine wichtige Rolle, von der Endlagerung des Atommülls nicht zu reden.

Ein Kohlekraftwerk ist daher leichter zu „bedienen“ als ein Atomkraftwerk. Und nebenbei verfügt Deutschland über eigene Braunkohlevorkommen, die kurzfristig verfügbar sind.

Gasmangel möglich – Privathaushalte wohl nicht betroffen

Oft wird in öffentlichen Medien von „kalten Wohnungen“ gesprochen. Dass dieser Fall eintritt, ist, zumindest was die Gasverfügbarkeit betrifft, relativ ausgeschlossen. Denn die Bundesnetzagentur ist in einem solchen Krisenfall eine Art „Lastverteiler“. 

Sie bestimmt, wer Gas bekommt und wer nicht. So ist zum Beispiel geregelt, dass Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Privathaushalte weiter priorisiert versorgt werden.

Auch Gaskraftwerke die Haushalte mit Wärme versorgen, werden geschützt behandelt.

Reduziert werden die Lieferungen zuerst für Industriebetriebe. Hier gibt es eine Abschaltreihenfolge, wer zuerst reduzieren muss und wer wann vom Netz genommen wird.

Aus diesem Grund ist auch das Beschaffen von Elektroheizlüftern für Wohnungen nicht nötig. Nicht nur, dass auch die elektrische Energie generiert werden muss, trotz der massiven Preiserhöhungen ist Gas immer noch günstiger als elektrische Energie. Hier lauert eine extreme Kostenfalle! (Mehr hierzu: Heizen mit Heizlüftern)

Mehr Transparenz notwendig

Ein Problem, welches in Deutschland immer wieder auftritt, ist die fehlende Transparenz und mangelhafte Erklärung von Problemen.

Dies hat auch der Präsident der Bundesnetzagentur gemerkt:

„Ich sehe als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, die Öffentlichkeit in klarer und verständlicher Weise zu informieren. Die Zeiten sind angespannt. Viele leiden unter der Inflation; die deutlich erhöhten Gaspreise sind für Kundinnen und Kunden ein gravierendes Problem. Nicht alle verstehen, warum die Gasumlage nötig ist, mit der ja noch mehr Kosten auf die Menschen zukommen. Dazu gesellt sich die Sorge, dass das eigene Wohnzimmer im Winter kalt bleibt“.

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur

Hierzu bedarf es auch die Mithilfe aller: Medien, Blogs, aber auch das Interesse des Bürgers und der Bürgerin selbst.

Auf Portalen wie erneuerbar.online, auf den Social-Media-Accounts und Websites der öffentlichen Behörden wie der Bundesnetzagentur, dem Wirtschaftsministerium und der Bundesregierung erhalten Interessierte tagesaktuelle Informationen und Erläuterungen. 

Man muss sie aber auch abrufen. 

Ein wenig positives hat Müller abschließend auch zu berichten: „Die aktuelle Lage lässt ein wenig Zuversicht zu. Mitte August waren die Erdgasspeicher zu 75 Prozent gefüllt. Damit haben wir das erste Zwischenziel mehr als zwei Wochen vor der Zeit erreicht – und das, obwohl Russland die Lieferungen um 80 Prozent reduziert hat. Jetzt dürfen wir nicht nachlassen. Um im kommenden Winter die Versorgung sicherzustellen, braucht es jedoch weitere Maßnahmen. Dabei gilt: Je mehr Gas bis zum und im Winter verbraucht wird, desto schwieriger kann die Lage werden. Ich persönlich glaube, dass wir es schaffen können, den Notfall abzuwenden. Doch dafür brauchen wir die Unterstützung der Industrie und der Menschen im Land.

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